Die Unterscheidung der männlichen und weiblichen Tiere erfolgt anhand der etwas größer ausgebildeten, zangenartigen Kiefer des Männchens sowie dessen mattschwarz-gefärbter Kopf- und Halsschildoberseite, die bei den Weibchen deutlich erkennbar glänzend ausgeprägt ist.
Der Große Breitrüssler Platystomus (Anthribus) albinus
Familie ANTHRIBIDAE
Platystomus (Anthribus) albinus - Großer Breitrüssler
Käfer, deren Kopfvorderseite, also die Stirnpartie zwischen den Augen und das Kinn oberhalb der Mundwerkzeuge, auffällig verlängert sind, bezeichnet man im Allgemeinen als "Rüsselkäfer". in Gesamtbetrachtung mit allen anderen Körpermerkmalen werden diese Käferarten allerdings systematisch getrennten Familien und Familiengruppen zugeordnet.
Die bekannteste und in Deutschland artenreichste Familie von Käfern die dieses Charakteristikum aufweisen, sind die eigentlichen
Rüsselkäfer aus der Familie
CURCULIONIDAE. Von allen anderen ähnlichen Arten unterscheiden sich die Curculionidae durch die sogenannten "geknieten" Fühler mit einem stark verlängerten 1ten Fühlerglied und der daran winklig abgebogen angefügten Fühlergeißel. Zugeordnet sind die Curculionidae der Überfamilie
CURCULIONOIDEA, die noch 4 weitere Käferfamilien mit deutlich verlängertem Kopf umfasst, deren Fühler allerdings NICHT GEKNIET sind:
APIONIDAE - Spitzmäuschen
Kleine (durchschnittlich 2-3 mm Körperlänge) meist strak farbige Käferchen mit deutlichem "Rüssel" aber ohne verlängertes 1. Fühlerglied, mit länglich ovalem, schmalem Körperbau, die zumeist an Schmetterlings- und Korbblüten zu finden sind.
ATTELABIDAE - Triebstecher & Blattroller
Robustere Rüssler mit rechteckig-kantigem Körperbau von 2-9,5 mm Körperlänge, deren parallele Flügeldeckenseitenränder zum Körperende hin leicht auseinanderlaufen. Die deutschen Familiennamen sind vom Eiablageverhalten abgeleitet, wobei "Stecher" ihre Eier in Pflanzenorganen einbetten und "Roller" Blätter einschneiden und zum Brutgehäuse zusammenrollen.
NEMONYCHIDAE -
Schwarz bis braun und gelblich gefärbte Nadelbaumbewohner (außer
Nemonyx sp.) mit 3 mitteleuropäischen Arten mit 3,5-5,5 mm Körperlänge und dreieckigem Kopf und deutlichem, langem Rüssel
ANTHRIBIDAE - Breitrüssler
Die fünfte Unterfamilie der Curculionioidea, zu der die hier präsentierte Art zählt. Die Breitrüssler haben stark entwickelte Kiefer, eine deutlich breitere aber nicht so auffällig lange Kopfvorderrand-Verlängerung (Rüssel) als ihre "Verwandten" und die 11-gliedrigen Fühler enden in einer 3-gliedrigen "Keule", d.h. die letzten 3 Fühlerglieder haben einen auffällig größeren Durchmesser.
Platystomus (Anthribus) albinus
Die Arten der Familie der Breitrüßler, von denen in Mitteleuropa etwa 20 bekannt sind, sind hauptsächlich an Rosengewächsen zu finden oder leben unter Baumrinden. Die Larven der Anthribidae entwickeln sich zumeist in morschem, pilzmyzeldurchzogenem Holz von Laubbäumen. Die hier dargestellte Art ist ein typischer Bewohner von Buchenwäldern. Die Körpergröße der Anthribidae variiert von 1 mm bis 1,4 cm.
Großer Breitrüssler - Körperoberseite mit weißen Färbungsmustern
Zu den in Deutschland häufigsten, auf Grund seiner markanten, weißen Körpermakel auf schwarzem Grunde leicht zu identifizierenden und daher auch bekanntesten Breitrüssler-Arten zählt der Große Breitrüssler. Sein Name wird in den unterschiedlichen Bestimmungsliteraturen West- und Ostdeutschlands der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts mit den Gattungsnamen
Anthribus bzw.
Platystomus angegeben. Der Artname
albinus leitet sich vom lateinischen Begriff
album ab, was übersetzt
weiss bedeutet (Vergleiche: Albino). Weiß gefärbt sind das jeweils 8. Fühlerglied, die Lippen und Stirne der Kopfvorderseite und in weiterer Fortsetzung ein dreieckiges Feld am Vorderrand des Halsschildes, zwei Makel auf der Oberseite der Elytren sowie die Endspitze der Flügeldecken am Körperende.
Platystomus (Anthribus) albinus
Deutlich mit bloßem Auge erkennbar sind Erhebungen auf der Körperoberseite der Käfer, 3 auf dem Halsschild und mehrere 2er-Paare auf den Elytren, die von aufgerichteten, schwarzen Borstenbüscheln der Körperbehaarung geformt werden, was den Käfern auf den erstern Blick eine Ähnlichkeit mit den Hispinae (Stachelkäfer) aus der Familie Chrysomelidae verleihen könnte.
Übrigens zeigt auch die Körperunterseite des Großen Breitrüsslers ähnlich typische, weiße Zeichnungsmerkmale.
Als durchschnittliche Körpergröße der Käfer werden 7-10 (6-12) mm angegeben. Die Grundfarbe des Körpers variiert von schwarz über schwarzbraun bis braungrau. Die Fortpflanzungszeit der Käfer ist im April.
Zum Ende dieser betrachtung sollte noch auf die Existenz einer weiteren Familie mit Käfern hingewiesen werden, deren Gestalt stark an die Rüsselkäfer erinnert. Es sind dies die Scheinrüßler aus der Familie SALPINGIDAE die zur Überfamilie CUCUJOIDEA zählt und bisweilen mit der Familie PHYTIDAE = Drachenkäfer zusammengefasst wird.
Der Gebänderte Pinselkäfer Trichius fasciatus
Familie SCARABEAIDAE
Die Scarabaeiden, zu Deutsch "BLATTHORNKÄFER", ordnet man in der zoologischen Systematik der Käfer der Überfamilie SCARABAEOIDEA welche noch die Familien LUCANIDAE (Hirschkäfer, Schröter oder Kammhornkäfer), TROGIDAE (Erdkäfer), GEOTRUPIDAE (Mistkäfer) umfasst. Alle Käferarten dieser Familien zeichnen sich dadurch aus, daß ihre Fühler zwischen dem ersten und zweiten Antennenglied gekniet sind und angewinkelt bzw. "eingefaltet" werden können. Dies ist notwendig um die empfindlichen verbreiterten Endglieder der Antennen zu schützen, denn die Tiere graben im Erdboden. Auch diese "gefächerten" Fühlerendglieder sind ein charakteristisches Bestimmungsmerkmal und unterscheiden sich von den "Fühlerkeulen" anderer Käferfamilien dadurch, daß sie nur "einseitig" ausgeformt sind. Vermutlich trägt der Fächer feine Sensorzellen zur Orientation an Pheromonen (Sexuallockstoffen).
Gebänderter Pinselkäfer Trichius fasciatus
Familientypische Blatthornkäfer-Antenne mit Gelenk zwischen 1. und 2. Fühlerglied und einseitig fächerförmig verbreiterten Fühlerendgliedern.
Der Ursprung des Namens der Käferfamilie SCARABAEIDAE gründet sich auf den berühmten Skarabaeus-Käfer, der insbesondere in der Mythologie Ägyptens wichtige symbolische Bedeutung verkörperte und wohl neben dem Hirsch-, Mai-, Rosen-, dem Mist- und dem Nashornkäfer der popularwissenschaftlich bekannteste Vertreter dieser Familiengruppe ist. Sein charakteristischer Körperbau ist in unzähligen Felszeichnungen, Malereien, Skulpturen und Schmuckstücken wiedergegeben. Besondere Aufmerksamkeit erregten die Tiere als "Lebende Juwelen" der ägyptischen Pharaoninnen, die diese an einem durch die Flügeldecke der Käfer gezogenen Band an ihrer Oberbekleidung anhefteten, so daß die Tiere langsam über die Schultern der edlen Frauen wanderten und sowohl die Betrachter in ihren Bann zogen als auch die Haut ihrer Trägerinnen mit ihren Krallen stimulierten.
Gebänderter Pinselkäfer Trichius fasciatus
Durch die Berührung der menschlichen Haut mit Skarabäiden-Käferkrallen lassen sich auch heute noch leicht erotisch-sensuelle Stimulationen erzeugen, wie dies in Ägypten mit dem Skarabäus-Käfer zur Pharaonenzeit gerne praktiziert wurde.
Bereits in einem vorangehenden Kapitel dieser Publikationsreihe ist mit dem Balkenschröter
Dorcus parallelopipedus ein Vertreter aus der Überfamilie der Scarabaeoidea beschrieben worden. Am Beispiel des nicht weniger anschaulichen, auffälligen und leicht bestimmbaren Gebänderten Pinselkäfers soll nun die zweite Familie dieser Gruppe, die eigentlichen Blatthornkäfer genauer beschrieben werden.
Trichius fasciatus zählt zur Scarabaeidae-Unterfamilie der Pinselkäfer (Trichiinae). Weitere Unterfamilien sind unter anderen die Rosenkäfer (Cetoniinae), Maikäfer (Melolonthinae), Riesenkäfer (Dynastinae), Dungkäfer (Coprinae und Aphodiinae) und die Gartenkäfer (Rutelinae).
Gebänderter Pinselkäfer
Trichius fasciatus
An sonnig-heissen Sommertagen findet man den nicht überall häufigen aber auffälligen Käfer gerne auf weißen Doldenblüten oder lila Disteln auf blütenreichen Wiesen im Mittelgebirge, an Rosen sowie auf Thymianblüten an Waldrändern bzw. auf Waldwiesen.
Namensgebend in Deutschland ist für Trichius fasciatus wohl seine ausgeprägt wollige Körperbehaarung, die insbesondere auf der Oberseite des Thorax, an der Abdomen-Unterseite und am Kopf Bürsten- oder Pinsel-artig aussieht sowie die auffällige schwarz-gelbe Bänderung der Flügeldecken. Möglicherweise ist es auch diese Mimikry mittels schwarz-gelber Abdominalstreifung, die den Käfern ein bienen- oder wespenähnliches Aussehen verleiht, die dem englischen Artnamen "Bee-Beetle" (Bienenkäfer) zu Grunde liegt, doch weist der englische Name noch eindeutiger auf den charakteristischen Summton hin, den der Käfer beim Fliegen erzeugt und der unverwechselbar an das Summen einer fliegenden Biene erinnert.
Gebänderter Pinselkäfer Trichius fasciatus
Der Summton des abfliegenden Käfers kann kaum vom Fluggeräusch einer Biene unterschieden werden. Siehe auch:
Verbreitungsgebiet von
Trichius fasciatus ist Eurasien. In Europa findet man ihn von Süditalien bis Skandinavien und auf den Britischen Inseln mit Ausnahme Irlands. Aus dem Kaukasus, Sibirien und Japan fehlen Registrierungen der Käferart. Die Gattung
Trichius umfasst 7 weitere, zum Teil sehr ähnlich aussehende Arten (
Trichius zonatus, Trichius abdominalis, Trichius sexualis), von denen sich
T. fasciatus dadurch unterscheiden läßt, daß die Mittelschienen eine charakteristisch "gezähnten" Einschnitt aufweisen.
Gebänderter Pinselkäfer
Trichius fasciatus
Zwei Ansichten der gezähnten Einkerbung der Mittelschiene als ein Artbestimmungsmerkmal zur Abgrenzung von ähnlichen Trichius-Arten.
Die auf den ersten Blick sehr eindeutige Flügeldecken-Farbzeichnung von
Trichius ist kein Artbestimmungsmerkmal, da die schwarzen Zeichnungsmuster in Form und Ausdehnung von Individuum zu Individuum sehr variabel sind, während die gelb-getönten Elytren-Bereiche farblich bis ins Orange tendieren können.
Gebänderter Pinselkäfer
Trichius fasciatus
Die Farbzeichnung der Flügeldecken ist sehr variabel, dient allerdings nur als Gattungs-, nicht aber als Art-Bestimmungsmerkmal. Der ebenfalls hier abgebildete, rot-orange Käfer ist Rhagonycha fulva aus der Familie CANTHARIDAE (Weichkäfer)
Gebänderter Pinselkäfer Trichius fasciatus
Video: Kletterkapazität und Fluggeräusch von Trichius fasciatus
Hauptflugzeit der Käfer sind die Sommermonate Juni und August. Die Tiere zeigen sich fast ausschließlich an heißen Tagen mit starker Sonneneinstrahlung. Die Larvalentwicklung der Käfer dauert 2 Jahre. Die Larven von
Trichius fasciatus entwickeln sich im Mulm verrottenden Holzes insbesondere von Birke, Buche und Erle.
Gebänderter Pinselkäfer Trichius fasciatus